Schönes Leben, Keramik und ein bisschen Revolution

»Ich möchte einen Keramikkurs machen«, sagte ich vor ein paar Wochen zu Carsten und buchte wenige Stunden später einen dreistündigen Workshop in Hamburg.
Vier Mal schlafen und es war so weit. In einem Hinterhof im trubeligen Schanzenviertel stieg ich ein paar Stufen hinab und versuchte mich am Ton. Überraschend gut ging das und machte auch noch Spaß. Ein bisschen bedenklich war nur, dass die Drehscheibe mich elektromagnetisch so stark auflud, dass ich beim Griff nach dem Abziehdraht, derartig schlimm eine gewischt bekam, dass mir ein bisschen schlecht wurde.

»Wir machen was! Ist das nicht der Wahnsinn?«

Als ich meine erste becherähnliche Form modellierte, rief ich den netten Kursteilnehmer*innen entzückt zu: »Leute, wir machen was! Ist das nicht der Wahnsinn?« und begriff mal wieder, dass genau das Kreativität in Reinform ist. Das Machen. Egal, was es ist. Nach dem fröhlichen Kurs war ich nicht nur von der Drehscheibe positiv aufgeladen. Ich wanderte mit leerem Kopf und überblühendem Herzen selig grinsend Richtung Auto, entdeckte an einer Fassade eine hübsche Tellerkunst mit der Aufschrift eat. revolt! love., dachte: »Ja, genau!« (und später auch noch ein bisschen mehr) und grüßte einen Polizisten so freundlich, dass er mich irritiert fragte, ob wir uns kennen würden.
Zum krönenden Abschluss des Abends fuhr ich zu meiner freundlichen Sushi-Lieferantin, die aber ausgerechnet heute frei hatte. Ihr Vertreter war nicht weniger freundlich und außerdem traf ich in dem Laden ein etwa siebenjähriges Mädchen.

»Weißt du, wenn dir nichts einfällt, ist das auch völlig okay.«

Wir kamen ins Gespräch; wie das halt so ist, wenn man auf sein Sushi wartet. Ich fragte sie nach ihrem Namen und erfuhr, dass dieser in ihrer Muttersprache eine besondere Bedeutung hatte.
Ich verriet ihr meinen, bedauerte, dass sich hinter Franziska nichts weiter verbarg und bat sie um Hilfe: »Vielleicht hast Du ja Lust, Dir einen Zweitnamen für mich auszudenken?«
Das zurückhaltende Mädchen schaute mich mit großen, braunen Augen an, wusste nicht so recht, was sie davon halten sollte. Wahrscheinlich wusste sie auch nicht so recht, was sie von mir halten sollte.
Sie überlegte, ich wartete eine Weile, wollte fast schon sagen: »Weißt du, wenn dir nichts einfällt, ist das auch völlig okay.«

Und ich fand es schön, nicht in Kontakt bleiben zu können.

Aber dann strahlte sie mich plötzlich an und sagte: »Schönes Leben. Dein Zweitname könnte Schönes Leben sein.«
Und weil mein Herz sowieso schon von bunten Blüten besetzt und dieser Moment so besonders und so wertvoll war, musste ich mich ganz schön zusammenreißen, nicht in Tränen auszubrechen. Vor lauter Freude über dieses Mädchen, das mir etwas schenkt, das mich – das weiß ich ganz genau – für immer begleiten wird.
Mit einem Kloß im Hals bedankte ich mich bei ihr.
Ich hatte auch einen Namen für sie parat. Ich glaube, sie fand ihn gut. Und dann kam auch schon mein Sushi. Und ich fand es schön, mich zu verabschieden und nicht mit diesem Mädchen in Kontakt bleiben zu können, weil manche Begegnungen einfach viel eindringlicher, viel glitzernder, viel unvergesslicher werden durch die Einmaligkeit, die Nicht-Wiederholbarkeit. Eine Reproduktion der Gefühle, der Farben, der Stimmung, der Echtheit dieses ätherischen Moments, ist unmöglich. Schade finde ich das nicht, sondern zauberhaft, magisch und so viel spannender als jede Diskussion über Künstliche Intelligenz.

PS. Später, als ich die Kolumne schreibe, schaue ich nach, ob mein Name wirklich keine Bedeutung hat. Es stimmt nicht.
Franziska hat sehr wohl eine. Mein Name bedeutet: Die Freie
Passt! Wie die Faust aufs Auge! Und zu »Schönes Leben« sowieso!

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