Schwarzbrot in Gold und eine zuckersüsse Erinnerung

Als wir nach dem Holzspalten vor dem gerade fertig gefüllten Holzbunker sitzen und ein Bierchen trinken, kommt der Postbote. Er bringt ein unerwartetes Päckchen von jemand Liebem. Wir öffnen es hinten im Garten. Zum Vorschein kommt ein in Goldpapier eingewickeltes Schwarzbrot in Scheiben. Nicht rechteckig, sondern oben gerundet. Vorne drauf steht Goldkorn. Ein Auerhahn trägt dazu eine Ähre im Schnabel.
Eine Freundin, die ein paar Tage zuvor zu Besuch hier im Wald war, hat uns das Brot geschickt.
Unter der alten Kastanie bei einem Glas Cremant hatten wir ausführlich über das Thema Brot gesprochen. Ich hatte gelacht, als sie mir das für sie einzig wahre Schwarzbrot beschrieb: »Sauer, ganz dunkel, in Scheiben und in eine Art Alufolie eingewickelt.«

In Goldpapier gewickeltes Schwarzbrot? 

Keine Ahnung, was sie meinte.
Als ich nun aber die in Goldpapier verpackten Scheiben in den Händen halte und daran rieche, erkenne ich es.
Plötzlich bin ich wieder in der Küche meiner Nenn-Oma, wo der Fußboden an manchen Stellen ein bißchen klebt. Ich sehe sie in einer Kittelschürze in Siebzigerjahrefarben genau solche Brotscheiben mit viel zu viel Butter bestreichen, mit viel zu dick Mettwurst belegen. Ich renne in ihr Wohnzimmer, klettere auf einen ihrer Ohrensessel, darf Fernsehen. Egal was. Sie bringt mir ein Tablett. Darauf ein Teller mit perfekten Quadraten. Hälfte Schwarbrot/Mettwurst. Hälfte bunter Stuten*/Leberwurst. Behaglichkeit. Wärme. Zuhause. Liebe.

Ein kulinarischer Trip in die Vergangenheit

Vorsichtig entfalte ich jetzt das Goldpapier, sehe die Körner in dem Brot und mich als Kind in einer anderen Küche sitzen. Unsere sehr alte Nachbarin stellt mir einen Teller hin. Darauf eine Scheibe von diesem Brot mit Butter und Zucker.
Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Ich strecke meinen kleinen Finger aus, tippe auf die funkelnden Körnchen, lecke sie ab. Zucker auf einem Brot? Ist das nicht verboten?
Sie sieht meinen fragenden Blick und nickt mir zu.
Sie muss es ja wissen. Sie ist schließlich alt.

Bei meiner Freundin bedanke ich mich für die schöne Überraschung, und noch viel mehr für die unverhoffte Erinnerung, die einen klitzekleinen Teil meiner Kindheit heraufbeschworen hat. Eine Erinnerung, so wertvoll, dass ich sie für immer festhalten will und deshalb am besten gleich darüber schreibe.
Dann gehe ich in unsere Küche, nehme mir eine Scheibe Goldkorn, bestreiche sie dick mit Butter, streue Zucker darüber und denke, dass es toll ist, erwachsen zu sein und selbst entscheiden zu können, ob ein Brot mit Butter und Zucker verboten ist oder nicht.

*Süsses Weißbrot mit Rosinen